Die steigende Anzahl der Erzeugungsanlagen (EZA) in den Verteilungsnetzen zwingt viele Verteilnetzbetreiber zu kostenintensivem Netzausbau. In diesem Artikel werden die Ergebnisse einer Untersuchung von ausgewählten Varianten des Netzausbaues, als Reaktion auf eine Verletzung der thermischen Belastungsgrenzen oder des zulässigen Spannungsbandes, vorgestellt. Bei den betrachteten Varianten handelt es sich um die Beeinflussung der Impedanz, der Spannung und der Blindleistung durch Parallelverkabelung, Errichtung einer zusätzlichen Ortsnetzstation (ONS), Einsatz von regelbaren Ortsnetztransformatoren (RONT) und Spannungsblindleistungsregelung durch die PV-Wechselrichter. Zur Bewertung der untersuchten Varianten werden die damit verbundenen Investitionen sowie das resultierende Integrationspotential (IP) herangezogen.
Ausgangssituation in Larrieden
Für das zu untersuchende Niederspannungsnetz wurde die fränkische Ortschaft Larrieden bei Feuchtwangen ausgewählt in welchem (2011) bei einer mittleren Last von 66 kW, 582 kW PV- und 610 kW Biogasleistung installiert ist. Das Ortsnetz des Verteilnetzbetreibers N-ERGIE Netz GmbH lässt sich in einen langen Weststrang, der an seinem Ende vier Mobilfunkmasten versorgt, einen stark landwirtschaftlich geprägten Nordstrang, sowie in den Hauptbereich des Dorfes unterteilen, welche über die ONS 2 versorgt werden. Der über die ONS 1 separat versorgte Oststrang wird für diese Untersuchung nicht berücksichtigt (Bild 1). Der größte Zubau von EZA erfolgte in den Jahren 2003 bis 2010 im Bereich des Nordstranges. Insbesondere durch den Bau einer Gemeindehalle im September 2004 und dem darauf folgenden PV-Zubau von 88,14 kW wurden Maßnahmen zur Einhaltung des Spannungsbandes zwingend notwendig. Es wurde daraufhin eine weitere ONS 4 errichtet und die Aufteilung des Nordstranges auf Höhe des Kabelverteilerschrankes (KVS) 8 durchgeführt. Ab dem Jahr 2011 wurde in der ONS 2 im Zuge einer Felderprobung ein 630-kVA-RONT eingesetzt [1]. Damit stellt das Niederspannungsnetz in Larrieden wegen des hohen Zubaus von erneuerbaren Energien und den daraus resultierenden Problemen bei der Spannungshaltung sowie der thermischen Belastung eine optimale Ausgangssituation für die Untersuchung verschiedener Varianten des Netzausbaus dar.
Als Grundlage der Untersuchungen wurde für das Ortsnetz Spitzenlasten angenommen, die sich an der Bemessungsgrundlage für Leitungen in Wohngebäuden ohne Elektroheizung orientieren [2]. Die daraufhin festgelegte Lastverteilung ist dabei sowohl von der Anzahl als auch von der Position der jeweiligen Lasttypen H0 (Haushalte) bzw. L0 (Landwirtschaftsbetriebe) im Strang abhängig und wurde vom jeweiligen Strangende zur ONS hin abnehmend aufgeteilt. Wie in Bild 1 zu erkennen ist, liegt der Schwerpunkt des Zubaus, was die Anzahl der PV-Anlagen als auch deren Anlagengröße betrifft, mit 11 Anlagen vor allem im Nordstrang zwischen KVS 8 und Strangende.
Varianten des Netzausbaues
Bei den untersuchten Varianten des Netzausbaus wurde der Fokus auf eine Parallelverkabelung, Errichtung einer zusätzlichen ONS, dem Einsatz von RONT sowie die Spannungsblindleistungsregelung durch die PV-WR gelegt. Außerdem wurde die Möglichkeit einer Vermaschung zur Minimierung der Parallelverkabelung berücksichtigt.
Insgesamt werden vier Varianten analysiert:
- Variante 1 – Parallelverkabelung
- Variante 2 – RONT & Parallelverkabelung
- Variante 3 – Zusätzl. ONS & RONT
- Variante 4 – Q-Regelung & Parallelverkabelung
Variante 1 betrachtet die Auswirkungen des ausschließlichen Netzausbaus in Form von Parallelverkabelungen mit dem Standartkabel NAYY4x150SE 0,6/1kV. Bei weiterer Überschreitung der festgelegten Spannungsgrenze von 3 % bzw. der thermischen Auslastung von 100 % wurde auf NAYY J 4x300SMv 0,6/1kV und anschließende Erhöhung der Anzahl der zu verlegenden parallelen Leitungen zurückgegriffen.
In Variante 2 wird nach erstmaligem Überschreiten des Spannungshubs von 3 % bzw. der thermischen Auslastung von 100 % der bestehende Transformator durch einen RONT ersetzt. Bei allen folgenden Überschreitungen einer Spannungsanhebung von mehr als 11 % oder der thermischen Auslastung von 100 % wird eine Parallelverkabelung durchgeführt.
Variante 3 ist den tatsächlichen Verhältnissen des untersuchten Niederspannungsnetzes Larrieden nachempfunden. Dies beinhaltet die Errichtung einer zusätzlichen ONS (ONS 4) im Nordbereich des Ortsnetzes mit Aufteilung des Nordstranges im KVS 8. Bei weiteren Überschreitungen des max. Spannungshubs von 3 % wird ein RONT installiert bzw. eine Parallelverkabelung durchgeführt.
Variante 4 untersucht die Spannungsblindleistungsregelung durch die PV-WR. Nach erstmaligem Überschreiten des Spannungshubs von 3 % wird die Spannungsblindleistungsregelung an den Wechselrichtern gemäß der VDE-AR-N-4105 [3] mit einen Verschiebungsfaktor von bis zu 0,95 ind. bzw. 0,90 ind. aktiviert. Bei allen folgenden Überschreitungen des 3-%-Kriteriums oder der thermischen Bemessungsleistung wird ebenfalls eine Parallelverkabelung durchgeführt.
Das Ablaufdiagramm in Bild 2 zeigt zusammenfassend die Vorgehensweise, bei der in Phase I das Prüfen der thermischen Auslastung der Betriebsmittel, in Phase II das Analysieren der Spannungshaltung und in Phase III die Maßnahmen zur Behebung der Strom- und Spannungsbandprobleme dargestellt sind.
Definition des Integrationspotentials
Um die Aufnahmefähigkeit der untersuchten Netzausbauvarianten für den Zubau von EZA miteinander vergleichen zu können, wurde ein sogenanntes Integrationspotential definiert.
(1)
Das Integrationspotential stellt also die EZA-Leistung dar, welche zusätzlich nach der erstmaligen Umsetzung der betrachteten Lösungsmaßnahme installiert werden kann ohne eine weitere Maßnahme ergreifen zu müssen.
Ergebnisse
Grundsätzlich lässt sich für alle untersuchten Varianten keine Überschreitung der Belastbarkeitsgrenzen der Leitungen wohl aber des Transformators feststellen. In den allermeisten Fällen werden Netzausbaumaßnahmen durch das Spannungsbandproblem ausgelöst. Für eine Mehrzahl der durchgeführten Parallelverkabelungen musste auch ein Querschnitt von 300 mm2 vorgesehen werden.
In Tab. 1 sind für die betrachteten Szenarien die notwendigen Netzverstärkungs- und Netzausbaumaßnahmen, die damit einhergehenden Investitionen sowie das resultierende Integrationspotential aufgelistet.
Tabelle 1: Vergleich der Varianten
Die Parallelverkabelung als ausschließliches Mittel zur Spannungsbandeinhaltung stellt mit knapp 400.000 EUR die mit Abstand ungünstigste Lösung dar. Das Integrationspotential der ersten Parallelverkabelung beträgt 140 kW.
Deutlich kostengünstiger gestaltet sich die Netzentwicklung mit Hilfe eines RONT und Parallelverkabelung bei weiteren Strom- und Spannungsbandproblemen. Die Einsparung gegenüber Szenario 1 beträgt knapp 250.000 EUR bzw. 64 %. Mit 110 kW wird das Integrationspotential dadurch begrenzt, das als max. Bemessungsleistung des RONT grundsätzlich für alle betrachteten Netze und Szenarien 630 kVA angenommen wurde, da ein solcher wegen seiner Abmessungen in der Regel in alle herkömmlichen Stationskörper passt. Speziell in Larrieden könnte auch ein 800-/1000-kVA-RONT eingesetzt werden, weil die Turmstation ONS 2 genügend Platz bieten würde. Entsprechend höher wäre das reale IP eines RONT in Larrieden.
Die niedrigsten Investitionen löst die Errichtung einer zusätzlichen ONS mit Teilung des Ortsnetzes sowie die Installation eines RONT in ONS 2 aus. Hiermit können die Kosten nochmals um 25 % gegenüber Szenario 2 auf nur mehr gut 100.000 EUR gesenkt werden. Das sehr hohe Integrationspotential von 400 kW erklärt sich aus der schwerpunktmäßigen Konzentration der EZA-Leistung im Norden von Larrieden mit der dort errichteten Station ONS 4.
Wird an Stelle eines RONT auf Parallelverkabelung gesetzt, kommt es zu einer Kostensteigerung von knapp 60.000 EUR gegenüber Szenario 2 was etwa 36 % entspricht. Das Integrationspotential hingegen bleibt nahezu unverändert bei 400 kW.
Der Einsatz von Spannungsblindleistungsregelung nach Auftreten der ersten Überschreitung des Spannungshubs führt zu den zweithöchsten Kosten im Vergleich. Gegenüber Szenario 1 lassen sich ca. 1.200 m Kabel einsparen und damit die Kosten um knapp 100.000 EUR senken. Das Integrationspotential ist mit 110 kW äquivalent zu dem aus Szenario 2 ermittelten. Unbedingt zu beachten ist, dass es aufgrund des höheren Scheinstroms, verursacht durch zusätzliche Blindleistungsflüsse, zu höheren Verlusten einer höheren Auslastung der Betriebsmittel kommt.
Vergleichbarkeit der Varianten in ihrer Kostenentwicklung
Das folgende Diagramm (Abb. 3) dient zur besseren Vergleichbarkeit der Varianten in ihrer Kostenentwicklung und umfasst die in Tab. 1 aufgelisteten Ergebnisse. Es lässt sich sehr gut erkennen, dass die Szenarien 2 und 3 die kostengünstigsten Varianten sind, wobei Szenario 3 das mit Abstand beste Integrationspotential aufweist.
Abbildung 3: Kostenentwicklung
Literatur:
[1] INA: Institut für Netz- und Anwendungstechnik GmbH. Internet: https://www.ront.info
[2] DIN-EN-18015-1: Elektrische Anlagen in Wohngebäuden – Anhang A. April 2012.
[3] VDE-AR-N-4105: Erzeugungsanlagen am Niederspannungsnetz – August 2011
Verfasserangabe:
Prof. Dr.-Ing. Oliver Brückl, Geschäftsführer, Institut für Netz- und Anwendungstechnik GmbH, Waldmünchen
Johannisweg 7, 93449 Waldmünchen
Olaf Portner, Student, Ostbayerische Technische Hochschule Regensburg, Regensburg
Seybothstr. 2, 93053 Regensburg